Wildtiere und Social Media

c_750_375_16777215_0_0_images_01-news_2025_07_selfiebaeren.jpg

Wildtiere und Social Media

Missbrauch, Likes & Lügen

Tagesanbruch in Saranda, Albanien. Es ist Sommer und bald werden die Strände überfüllt sein. Während sich Touristen aus aller Welt für einen malerischen, heißen Tag vorbereiten, werden zwei Bärenwelpen aus dem alten VW Bus gezerrt, in dem sie Nacht für Nacht eingesperrt werden. Mit einer Kette um den Hals werden sie über den glühenden Sand geschleift, wer will kann ein Foto mit ihnen machen. 50,- Euro für ein Selfie mit einem Bärenwelpen. Lukrativ, denn die sozialen Medien starten gerade ihren Siegeszug und niedliche Tierbabys gehören zu den heimlichen Stars auf den Plattformen. Doch dies geschieht alles andere als freiwillig. Die beiden Bärenwelpen wurden ihrer Mutter entrissen, welche höchstwahrscheinlich gewildert wurde. Sie sind unterernährt, leiden an starken Verhaltensstörungen. Nachts saugen sie sich heftig gegenseitig an den Ohren. Einer der Beiden hat ein halbes Ohr bereits dadurch verloren. Sie sind erst wenige Wochen alt, doch ein Leben in Freiheit, in der Natur, wie richtige Bären, bleibt ihnen verwehrt. Ihr Schicksal ist besiegelt. Leider kein Einzelfall. Die Zahl tierischer Influencer explodiert. Heute gehören sie leider zum Alltag in den Sozialen Medien.

Influencer schmusen mit Tigern, rangeln mit Bären oder halten sich Affen als Kinder – die sozialen Medien sind voll mit Content von Wildtieren in den absurdesten Situationen. Egal, ob es Superreiche sind, die ihr luxuriöses Leben darstellen oder Influencer, die mit ihrer Reichweite Werbedeals an Land ziehen wollen, bei Instagram und Co. geht es ihnen um eins: Likes. Und Wildtiere sind dahingehend ein extrem lukrativer Katalysator. Doch was bedeutet das für die Tiere? Welche Auswirkungen hat das auf unser Verständnis gegenüber Wildtieren und Natur und somit auf unser Leben? Was ist eigentlich so schlimm daran und was kann man dagegen tun?

Missbrauch für Likes
Ob im Urlaub, im Stream oder auf Instagram: Wildtiere werden millionenfach inszeniert, vermenschlicht und missbraucht.
Ein neues System der Ausbeutung hat sich etabliert – mit dramatischen Folgen für Tier und Mensch.

 

INHALTSVERZEICHNIS

1 – Influencer vs. Inszenierer
2 –Tierleid
3 – Fake Natur
4 – Lösungsansätze
5 - Fazit

1 – Influencer vs. Inszenierer

Wildes Haustier | Der Tiger-Papi von Moskau lebt beispielsweise mit zehn Tigern zusammen, hat sein Haus als Reha-Zentrum für verstoßene Tiger umgebaut. Doch von Reha ist keine Spur zu sehen. Tigerbabys werden in extremen Nahaufnahmen dargestellt, wie sie mit der Flasche gefüttert werden, erwachsene Tiger werden mit regelrecht sexueller Inbrunst angefasst. Tierschutz? Fehlanzeige. Dies dient zur Selbstdarstellung und bewirbt das Tierfutter von Zaretskiy. Auch Bären und Bärenwelpen werden auf seiner Webseite als Werbematerial benutzt. Stets unnatürlich, stets als lebendiges, überdimensionales Kuscheltier inszeniert.

Und es funktioniert. Weit über eine Millionen Follower hat er allein auf Instagram.

Rohe Männlichkeit | Alex The Terrible, seines Zeichens Frontmann der Metalband Slaughter to Prevail, inszeniert sich als extrem harter Kerl, nimmt an Boxkämpfen teil, liebt es mit Bären und Tigern zu kämpfen, glorifiziert Waffen – und ist damit extrem erfolgreich. Videos, in denen er auf Bären reitet und mit ihnen ringt haben mehrere Millionen Likes, zigtausend Kommentare und werden Millionen Mal geteilt. Ganz im Gegenteil zu den Aufnahmen seiner Band oder Mitschnitte seiner Boxkämpfe. Auch intime Momente mit seinen Bärenwelpen, wie er ihnen die Flasche gibt und ihnen die Milch vom Mund küsst, dürfen auf seinem Profil nicht fehlen.

INFO FACT
Ein Bär ist kein Reittier. Wölfe keine Streicheltiere. Und Tiger keine Haustiere.
Doch genau das wird in Social Media täglich vermittelt.

In Deutschland gehören Waschbären zu den beliebten Haustier-Petfluencern. Slogans wie vom Notfall zum Star erwecken den Eindruck, Tierschutz heißt Wildtiere kuscheln. Grundlegend scheint die körperliche Nähe zu den Tieren einen besonderen Reiz auszuüben. Die Tiere wirken nicht bedrohlich, eher zutraulich. So funktionieren s.g. Tieraudienzen die versprechen, seinem Lieblingstier ganz nah zu kommen. Neben Tigern sind Wölfe sehr beliebte Vierbeiner für eine private Vorführung. Meist handelt es sich um ehemalige Showtiere, dh Wildtiere, die einst für die Unterhaltungsbranche, von TV bis Zirkus, misshandelt wurden. Statt ihnen einen tiergerechten Lebensabend zu bieten, werden sie weiter für lukrative Buchungen ausgebeutet.

 

2 – Tierleid

Der SMACC Bericht | Die SOCIAL MEDIA ANIMAL CRUELTY COALITION (SMACC), eine von Animals Asia ins Leben gerufener Zusammenschluss mehrerer Tierschutzorganisationen, hat in ihrem Spotlight Bericht den Missbrauch von Tieren in den sozialen Medien durchleuchtet. Circa 840 Links wurden geprüft. Insgesamt summieren sich die Zahl auf 11.806.630.205 Likes.

INFO FACT
11,8 Milliarden Likes auf 840 Tierleid-Posts – so groß ist die digitale Bühne für Missbrauch.

Doch was wird sich angeschaut? Hier ein Blick auf die Top 5 Kategorien:

PlatzKategorie
🥇 1 Psychologische Folter
🥈 2 Unterhaltungszwecke
🥉 3 Körperliche Gewalt
4 Trennung von der Mutter
5 Grobe Behandlung

Auf weiteren Rängen befinden sich soziale Isolation, sexueller Missbrauch, Kampf gegeneinander, Jagen, Tod oder herauszögern des Todes. Das Verständnis für Tierleid wird gefährlich fehlgeprägt aufgrund der massiven Vermenschlichungen. Beispiel Affen: zahlreiche Reels von Affen die in vermeintlichen, menschlichen Alltagssituationen Lachen sind weit verbreitet, tatsächlich ist das Grinsen allerdings ein Ausdruck von Unsicherheit, von Panik. Der Affe freut sich keineswegs. Ebenso wenig ein Bär oder Wolf, dessen Gesten fälschlicherweise als Lachen wahrgenommen werden.

INFO FACT
Das „Grinsen“ von Affen in vielen Reels ist kein Lachen – es zeigt Angst und Stress.
Diese Missinterpretation ist gefährlich und verharmlost Tierleid.

Wildtierhandel | Mit 23 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr gehört der Wildtierhandel neben dem Drogenhandel zum lukrativsten Geschäft. Die Propaganda, Wildtiere privat halten zu wollen, führt nicht nur zu einen zu einer wachsenden Zahl von Wildfängen, Zucht und Vertrieb von Tieren (z.B. Wolfshybriden wie RONJA & RAIK), sondern fördert auch die Interaktion mit Wildtieren in freier Wildbahn. Welch schwerwiegende Folgen dies hat zeigt das Beispiel der Bärin JURKA. Für Tourismus angefüttert verlor sie ihre natürliche Scheu vor Menschen, gab das an ihre Nachkommen weiter. Auf diese Weise wurde eine ganze Bärenfamilie auffällig und musste der Natur entnommen werden.

Ein weiteres beliebtes Kaufobjekt sind Plumploris. Doch so niedlich sie auch sind, ganz ungefährlich sind sie nicht. Daher bekommen die possierlichen Tiere vor dem Verkauf die Zähne und Krallen entfernt, woran sie nicht selten sterben.

Viele Profile geben sich als Tierschutzeinrichtungen aus. Immer wieder fällt der Begriff „ausgestoßene Tiere“. Dies ist eine recht dienliche Formulierung, da sie recht viel Spielraum zum interpretieren lässt und sich zudem gut anhört. Der enge, körperliche Kontakt zu den Tieren, an der Leine führen, Schmusen, Küssen, wird als normaler Umgang mit Wildtieren vorgelebt, als würde Tierschutz darin bestehen, sich an den Tieren zu reiben und sie wie lebendige Plüschtiere zu behandeln. Aber dies erniedrigt und missbraucht nicht nur die Tiere, sondern wirft auch ein falsches Bild auf wirklichen Tierschutzeinrichtungen, pflanzt falsche Vorstellung vom tiergerechten Umgang.

KRITIK
Der Begriff „ausgestoßene Tiere“ wird häufig missbräuchlich verwendet, um Tierleid zu legitimieren. In Wahrheit dienen viele Tiere weiter der Vermarktung.

Letztlich befriedigt der körperliche Kontakt zum Tier nur die menschliche Egozentrik. Tierschutz wird dargestellt, als wären die Kuscheleinheiten mit den Wildtieren eine Art Belohnung für den Menschen. Wer Tiere rettet darf auch Tiere knuddeln.

3 – Fake-Natur

Verzerrtes Tierbild | Wildtiere sind perfekt an ihre natürlichen Habitate angepasst und nur dort können sie artgerecht leben. Die Darstellung übergewichtiger, zutraulicher Bären, Wölfe, Tigern und Co. vergiftet das Bewusstsein gegenüber den Tieren. Die Meinung darüber, wie ein Wildtier aussieht und wie es sich verhält wird dadurch massiv beeinträchtigt. Dies birgt große Gefahren in sich. Der Umgang mit Tieren erfährt einen kulturellen Rückschritt. Bärenkämpfe, Dressur, Erniedrigung, viele antiquierte Tierquälereien erfahren durch die Verherrlichung in den Sozialen Medien eine Art Renaissance. Dabei wird ausgeblendet, dass die Posts stets Momentaufnahmen sind, inszeniert um Likes zu generieren.

Nicht zuletzt legt der SMACC Bericht einen weiteren, grausamen Aspekt der Vermenschlichung von Wildtieren dar: der Umgang mit Kindern. Denn die (Wild)Tiere werden meist wie Kinder behandelt. Viele Influencer ziehen ihre Tiere sogar wie Kinder an, bestrafen sie, züchtigen sie. Doch dies hemmt nicht nur die Empathie gegenüber den Tieren, sondern auch den eigenen Kindern.

Zusammengefasst:

  1. | Falsche Darstellung von Wildtieren ist z.T. Wortwörtlich zu nehmen, denn viele der Tiere sind zu dick aufgrund der Überfütterung, mangelnder Bewegung und grundlegend falscher Ernährung.
  2. | Wildtiere werden als zutraulich dargestellt, ergo sind Wildtiere, die nicht zutraulich sind, keine guten Wildtiere.
  3. | Der Mensch wird als unumstrittenes Alphawesen inszeniert.
  4. | Falsche Vorstellung von Tierschutz wird suggeriert.
  5. | Das Erkennen von Tierleid wird verschoben.

 

4 – Lösungsansätze

Missbrauch von Tieren in den Sozialen Medien zu bekämpfen ist frustrierend und äußerst schwierig. Zum einen fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, zum anderen erfreut er sich großer Beliebtheit. Anders als bei den Zirkusprotesten beispielsweise ist es für die Internetgemeinschaft sehr schwierig dem Protest Gehör zu verschaffen, da sich jeder in seiner Bubble, also seinem eigenen Mikrokosmos, bewegt und kaum etwas außerhalb dessen - Intelligenter Algorithmus sein dank - angezeigt bekommt. Weiterhin unterstützt schon jede Sekunde, die ein solches Video angeschaut wird, die Reichweite. Auch negative Kommentare führen daher zum Gegenteil und verbreiten den Beitrag zusätzlich.

Zudem machen es einem die Plattformen selbst extrem schwer. Logisch, den Betreibern von Meta, TikTok und Co. ist es egal, wer Anzeigen schaltet, wer sich präsentiert. Die Wahrnehmung gegenüber Tieren ist meist subjektiv. Erst seit wenigen Jahren gibt es überhaupt die Möglichkeit, Beiträge aufgrund von Tiermissbrauch, Leid oder Ausbeutung zu melden. Mittlerweile ist dies möglich, verläuft aber in 99.99% aller Fälle im Sand.

 

Was tun?

Nicht aufgeben. Sobald ihr einen solchen Content seht dann kommentiert nicht, sondern blockiert und meldet es. Auch, wenn dies keine direkten Konsequenzen für das Profil haben wird, so macht es die Masse im Laufe der Zeit. Irgendwann, wenn genug Profile andere Profile blockieren, einschränken und melden, dann müssen die Plattformen agieren, da ihnen sonst die Kaufkraft schwindet.

Sagt es Freunden, Verwandten, Bekannten. Redet im öffentlichen Diskurs darüber, kauft keine Produkte, die auf diese Weise vermarktet werden.

Explizite Tierquälerei könnt ihr auch direkt bei  SMACC melden:

https://www.smaccoalition.com/

5 - Fazit

2016 waren Selfie-Bären die neuen Tanzbären. ARTHOS und ARIAN konnten damals gerettet werden, leben seit Herbst 2016 bei uns im Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald. Heute sind sie stattliche Bärenmänner. Doch noch immer gezeichnet von ihrer Vergangenheit. Seiner Zeit warnten wir, die STIFTUNG für BÄREN -Wildtier- und Artenschutz vor den sich etablierenden Trend der Ausbeutung von Wildtieren in den Sozialen Medien. Leider unterstützen die modernen Plattformen das Wiederaufleben alter Praktiken wie Bärenkämpfe, zirkusähnliche Dressuren und einer grundlegenden Verzerrung des Bewusstseins für Tiere und Umwelt. So wurden für einen aktuellen Kinofilm aus dem Jahre 2025 tatsächlich echte Pandabären missbraucht, gar damit geworben. 2024 retteten wir vier Wölfe aus einem insolventen Filmtierpark in Deutschland. Damit neigte sich eine antiquierte Praktik jahrzehntelangen Schreckens dem Ende zu. Doch der Trend des Missbrauchs in den Sozialen Medien ist besorgniserregend. Die Auswirkungen auf den Umgang mit Wildtieren außerhalb von Instagram, TikTok und Co. ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Allerdings ist ein objektives, realistisches Verständnis unserer Natur momentan wichtiger den je. Weltweit steigt die Zahl der Zwischenfälle zwischen Mensch und Wildtier, sowohl in freier Wildbahn als auch bei s.g. Tieraudienzen oder Fotoshootings.

Daher setzten wir, die STIFTUNG für BÄREN -Wildtier- und Artenschutz, uns für einen respektvollen Umgang mit Wildtieren ein. Dazu gehört auch eine realistische Darstellung der Vierbeiner und den Einfluss, den wir Menschen auf sie haben. Nur, wenn wir uns gemeinsam der Verantwortung bewusst werden und für ein bewusst verantwortungsvolles Handeln einstehen, können wir dafür sorgen, dass das Schicksal von Bären wie ARTHOS und ARIAN oder von Wölfen wie KOLJA, KITO, KIRA und KITA nicht umsonst gewesen sind. Die sozialen Medien sind Segen und Fluch zugleich. Doch das Gute daran: es sind eure Klicks, eure Likes, die am Ende darüber entscheiden. Ihr habt es in der Hand.

 

Wildtiere sind keine Kulisse für Likes.
Sie sind keine Influencer.
Sie sind fühlende Wesen mit ureigenem Verhalten – das es zu respektieren gilt.

💚 Jede Entscheidung im Netz zählt. Für mehr Respekt. Und echten Schutz.

Was du tun kannst:
• Nicht kommentieren – sondern blockieren
• Inhalte melden (z. B. bei SMACC)
• Bewusstsein schaffen – im privaten und öffentlichen Diskurs
• Einrichtungen meiden, die Wildtiere züchten oder streicheln lassen