Die Frühjahrssonne scheint über dem Bärenpark, süßer Veilchenduft liegt in der Luft. Alle Bären räkeln sich gähnend im Sonnenschein, von Frühjahrsmüdigkeit dahingerafft. Doch plötzlich zucken die Bärennasen. Veilchenduft ist Bären schnuppe, aber da zieht noch ein anderer Geruch heran. Noch ein paar Mal die Nase in den Wind gehalten und alle Bären sind hellwach. Fisch ! Schon kommt der Wagen der Tierpfleger um die Ecke, eimerweise Hering an Bord. Pedro und Laura sitzen bereits voller Erwartung am Gehegezaun. Aber zunächst einmal fliegen nur Äpfel, Birnen und Möhren an ihnen vorbei. Desinteressiert wird dem Obst und Gemüse nachgesehen. Pedros Blick heftet sich fordernd auf die Tierpflegerin. Fisch her! Endlich landen auch die Fische im Gehege und verschwinden mit erstaunlicher Geschwindigkeit nahezu unzerkaut in Pedros Maul. Laura ist da wesentlich anspruchsvoller. Mit Krallen und Zähnen wird der Hering filettiert. Erst das eine Filetstück, den Fisch gekonnt gewendet, dann das Filetstück der anderen Seite. Der Rest bleibt liegen. Egal! Pedro schluckt auch Reste. Die alten Damen Mischka und Tina verspeisen ihren Fisch in aller Gemütlichkeit. Mischka beißt Stückchen für Stückchen von ihrem Fisch ab. Auch Tina sichert sich trotz aller Bewegungsstörungen ihren Anteil. Mario hat längst vom Fisch Wind bekommen. Den Kopf leicht schief gehalten setzt er seinen erprobten ?Bin ein armer, hungernder Bär. Fütter mich!?-Blick auf. Der Speichel läuft ihm bereits aus dem Maul, während er den Fischen nachsieht, die von seiner Pflegerin in alle Himmelsrichtungen in das Gehege geworfen werden.
Vorwurfsvoll, sehr vorwurfsvoll richtet er dann seinen Blick auf sein Hering werfendes Personal. Man glaubt geradezu seine Gedanken zu hören: ?Streufütterung! Neumodischer Unfug!? Seufzend steht er auf und sammelt die soeben verteilten Fische wieder ein. Ein Fisch nach dem anderen wird, an der Schwanzflossenspitze aus dem Maul baumelnd, zu einem Sammelplatz gebracht und zu einem ordentlichen Heringshäufchen geschichtet. Erst dann legt sich Mario nieder, um seine Fischmahlzeit einzunehmen. Trotz all der verputzten Fische wird er auch bei der nächsten Fütterung wieder dasitzen mit seinem flehenden Blick. Bären sollen keine Mimik haben? Da kann Mario nur verächtlich schnauben. H.L. Foto: Manfred Müller