Sicherlich braucht man nicht unbedingt das hervorragende Riechvermögen eines Bären, um den zurzeit blühenden Bärlauch zu finden. Denn dieses Liliengewächs ist nicht nur mit dem Knoblauch verwandt sondern riecht auch ähnlich stark. Der Bärlauch braucht vor allem ein kühlfeuchtes Klima und Schatten, weshalb er sich im Bachtälchen nahe der Bärenanlage besonders wohl fühlt. Was hat nun aber dieser Lauch mit Bären zu tun? Denn auch der wissenschaftliche Name Allium ursinum deutet ja auf Bären hin. ?Ursus? ist lateinisch und heißt ?der Bär? und ?ursinum? bedeutet demnach ?für Bären geeignet?!
Wenn auch Braunbären kein Latein lesen oder gar verstehen können, wissen sie sicherlich, dass ihnen der Bärlauch gut tut. Die Blätter des Bärlauchs erscheinen nämlich bereits im März und können so den aus der Winterruhe erwachenden Bären als erste und vor allem auch als sehr vitaminreiche Nahrung dienen. Gerade nach dem Winter versuchen die Bären nämlich die Vitamindefizite möglichst schnell durch Pflanzennahrung auszugleichen. Deshalb kommt es in dieser Jahreszeit oft zu großen Ansammlungen der Braunbären Alaskas und Kanadas auf Sumpf- und Tundrawiesen, deren frische Gräser von den Bären regelrecht abgeweidet werden. Und in den Wäldern Europas kann der Bärlauch als ein solcher im Frühling verfügbarer Vitaminspender dienen.
Dass auch Emma, Max, Laura und die anderen Bären unseres Parks den Bärlauch schätzen ist daran zu erkennen, dass in den bewaldeten Bärenanlagen diese Pflanze nicht mehr zu finden ist. Hier wurden nicht nur die Blätter gefressen sondern auch die Vermehrungs- und Überwinterungsorgane, die weißen Knollen im Waldboden, hatten keine Chance sich vor der feinen Nase der Bären in Sicherheit zu bringen.
Der Bärlauch ist eine Heilpflanze, welche seit Jahrhunderten in der Volksmedizin Anwendung findet. Sicherlich wurde sie auch bei unseren germanischen, slawischen und keltischen Vorfahren entsprechend verwendet. Diese Menschen hatten noch große Achtung vor dem Bären, weshalb der Zusatz ?Bär? im Pflanzennamen auch eine entsprechende Würdigung der Wirkung der Pflanze bedeutet haben kann. Bei den Germanen identifizierten sich die kraftstrotzenden Helden ohnehin gerne mit dem Bären. Und wo kam diese Kraft her? Natürlich von dem wilden Lauch aus den Tiefen der germanischen Urwälder, der deshalb den Namen Bärlauch bekam.
Zurzeit erlebt der Bärlauch eine Renaissance hinsichtlich seiner Beachtung. Jeder Supermarkt bietet heute Bärlauchprodukte an. Die Menschen lernen diese Heil- und Wildgemüsepflanze wieder zu schätzen. Schön wäre es, wenn auch ihr Namensgeber, der Bär, wieder in der Wertschätzung steigen und von unserer Gesellschaft mit Respekt und Achtung behandelt werden würde.
Noch ein Tipp: Im Bärenpark Worbis ist noch eine weitere, nach Knoblauch riechende und so schmeckende Wildpflanze zu entdecken, nämlich die Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata). Um diese zu finden, sollte es der Besucher einfach mal den Bären nachmachen und sich durch den Bärenwald futtern, denn Probieren geht bekanntlich über Studieren. Keine Angst vor den auch im Wald vorkommenden Giftpflanzen! Denn, wie hat uns unser Professor für Botanik an der Universität immer erklärt, ein pfenniggroßes Stück kann man von jeder Pflanze schadlos verzehren. Trotzdem ließ er eine kecke Studentin medizinisch überwachen, nachdem sie im jugendlichen Übermut eine einzige, eben auch nur pfenniggroße Tollkirsche verspeist hatte.
Arne Willenberg